Fact – dem ist nichts mehr hinzuzufügen…

Die grüne Tragödie

Dilettantismus und Selbstgefälligkeit haben sich zur

Katastrophe verdichtet

 

Es sind weder die Wähler schuld, noch ist es Peter Pilz. An dem

Debakel der Grünen sind die Grünen schuld. Die larmoyanten

Ausreden und die Hilflosigkeit, mit der einige Spitzenfunktionäre

nach der Wahlniederlage an die Öffentlichkeit getreten sind,

waren ein guter Beleg für ihre Verfasstheit: Ihnen ist die

Substanz ausgeronnen.

 

Zwischen dem größten Erfolg der Grünen, der Angelobung ihres

ehemaligen Bundessprechers Alexander Van der Bellen zum

Bundespräsidenten im Jänner, und der größten Niederlage,

dem Rausflug aus dem Parlament, sind nur neun Monate

vergangen. In dieser Zeit haben sich die Schwächen der

Grünen zur Katastrophe verdichtet.

 

Nach dem Cosy-Wohlfühl-Wahlkampf von Van der Bellen, der

sich in alle Richtungen öffnete, ging den Grünen nicht nur die

Kraft aus, sie fanden auch zu keiner inhaltlich klaren Linie mehr.

Die Frage der Positionierung wurde zwar heftig diskutiert,

letztlich aber nicht entschieden. In dieser Phase ließ die

Parteiführung auch den Streit mit der Parteijugend eskalieren.

 

Das war der pure Dilettantismus.

Ideenlos und belanglos

 

Eva Glawischnig, die innerparteilich von einer den

Eigeninteressen folgenden Kaderriege abgeschottet wurde, warf

schließlich entnervt und von ihrer Kraft verlassen alles hin. Die

neue Parteiführung mit Ulrike Lunacek und Ingrid Felipe war

Ausdruck absoluter Verlegenheit. Lunacek ist eine integere und

kompetente Politikerin, verfügt aber über wenig Strahlkraft. Sie

blieb im Wahlkampf harmlos, begleitet von einem ideenlosen

Kampagnenteam. Über die Belanglosigkeiten, die Felipe von

sich gegeben hat, konnte man sich nur wundern.

 

Dass die Funktionäre glaubten, mit Julian Schmid im

Wahlkampf mehr punkten zu können als mit Peter Pilz, legte die

Schwachstellen der innerparteilichen Basisdemokratie offen:

Persönliche Befindlichkeiten und interne Seilschaften wiegen

schwerer als gemeinsame Ziele und strategisches Denken.

 

Das uneinheitliche Außenbild der Grünen liegt auch in ihrer

Geschichte begründet, die ihre Wurzeln in Bürgerinitiativen und

der Umweltbewegung hat. In Wien sind sie stark links orientiert,

in anderen Bundesländern bürgerlich aufgeschlossen

aufgestellt, näher an der ÖVP als an den Sozialdemokraten.

Das Gemeinsame mögen der Umweltgedanke und das hehre

Anliegen sein, eine bessere, zumindest nicht wesentlich

schlechtere Welt zu hinterlassen. In den Verstrickungen

regionaler und kommunaler Machtgefüge sind aber auch diese

Ziele mitunter in den Hintergrund geraten.

Treibende Kraft im Parlament

 

Die Grünen sind wichtig für das demokratische Gefüge in

diesem Land, sie waren eine treibende Kraft im Parlament, sie

sind in Sachfragen äußerst kompetent, sie glauben an das

Gute. Aber sie haben sich an sich selbst aufgerieben und einer

gewissen Selbstgefälligkeit nachgegeben. Als Idealisten,

Gerechtigkeitsfanatiker, Ökofreaks und Gutmenschen wären sie

ein notwendiges Gegengewicht zu der sozialen Inkompetenz,

der Ignoranz, der Machtgier, der Rücksichtslosigkeit und der

Eitelkeit, wie sie bei SPÖ, FPÖ und ÖVP gut vertreten sind.

Die Grünen werden zurückkommen. Sie müssen sich neu

aufstellen, sie müssen zu einer klaren Linie finden und ihre

Ideale deutlich machen. Die Liste Pilz ist eine gute Ergänzung

im Parlament, aber kein Ersatz. Die Grünen sind die Guten.

Daran müssen sie selbst wieder glauben, und das müssen sie in

der Politik mit der Professionalität des Bösen umsetzen.

(Michael Völker, 17.10.2017)

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